Lernen, wie mit Kindern über Rassismus zu reden

Am Samstag, 21.05.2022, lud unsere Arbeitsgruppe Events in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Bildung zur ersten öffentlichen Veranstaltung dieses Jahres des Kollektiv Vo da. ein. Im kürzlich versendeten Mitglieder-Newsletter (➤Mitglied werden) wurde bereits informiert, dass Ify Odenigbo von Ijeoma Parenting (in der nigerianischen Amtssprache Igbo bedeutet Ijeoma “Gute Reise”) den geplanten Workshop “Bei den Kindern anfangen” mit einem informativen Input bereichert.

Die Veranstaltung fand dank freundlicher Unterstützung der Gessnerallee Zürich in deren Räumlichkeiten statt und zog etwas über 40 interessierte Personen an (gratis für angemeldete Mitglieder unserer Fründe Vo da.).

Nach Ankunft aller Teilnehmenden und einer informellen Begrüssung bei Kaffee & Kuchen, sprach Ify Odenigbo in ihrem Input über die Definition von Rassismus, den Unterschied zwischen implizitem und explizitem Bias1 und die unterschiedlichen Lernmethoden von Kindern.

Durch praktische Übungen während Odenigbos Input, in welchen die Teilnehmenden ihre eigene Identität und ihr Umfeld in Bezug auf Diversität reflektieren sollten, wurde aufgezeigt, wie spärlich positive Rückmeldungen und Bestätigungen im Alltag von marginalisierten Menschen vorkommen, vor allem in einer weissen Dominanzgesellschaft wie wir sie in der Schweiz wiederfinden.

Dies steht in einem krassen Kontrast zur Erkenntnis aus der Lernforschung von Kindern, welche besagt, dass Kinder den Umgang von Bezugspersonen spiegeln und ihre Umgebung selbst begründen, wenn ihnen von Erwachsenen keine Erklärungen und Anhaltspunkte geboten werden. Somit muss mit Kindern nicht bloss aktiv über die Diversität von Menschen gesprochen werden, sondern sollten sie auch von möglichst diversen Einflüssen umgeben werden (Bücher, Lehrpersonen, Freund:innen und weiteren Mitmenschen).

In diesem Kontext wurde die Wichtigkeit von Kinderbüchern und deren Einfluss auf Kinder hervorgehoben. Kinderbücher sollten in dem Sinne nicht nur aktiv das Thema Diskriminierung behandeln müssen, sondern auch nicht-weisse Protagonist:innen in nicht stereotypisierenden Rollen abbilden. Eine sehr grosse Anzahl solcher Bücher wurden von Ijeoma Parenting zur Besichtigung für die Teilnehmenden zur Verfügung gestellt.

In kleineren Break-Out Gruppen konnten die Teilnehmenden dann über die in ihnen ausgelösten Gefühle und Reflexionen diskutieren und auch darüber, wie sie selbst künftig aktiv zu einer vielfältigen, rassismus- und diskriminierungskritischen Erziehung beitragen können. Hier fanden spannende Begegnungen statt zwischen Eltern, Pädagog:innen, Personen aus der Sozialarbeit und Menschen, welche generell daran interessiert sind, eine diskriminierungsärmere Gesellschaft für die Zukunft zu formen.

Im letzten Block des Workshops stellte unser Kollektiv den aktuellsten Stand der derzeitigen Projekte der Arbeitsgruppe Bildung vor. 

Im Verlauf des letzten Jahres wurde in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Samira Belorf ein Comic für Jugendliche kreiert, welcher den historischen Kontext zwischen dem Kolonialismus und der zur Legitimierung frei erfundenen Rassentheorie beschreibt und dabei die Zusammenhänge zur Schweiz schildert.

Dieser Comic bildet die Grundlage für Schulbesuche in Sekundarschulkassen, in welchen Mitglieder der Arbeitsgruppe Bildung mit den Jugendlichen der jeweiligen Schulklassen einen informierten und ehrlichen Dialog zu diesem Thema führen.

Erste Pilotprojekte mit einem Schulbesuch an einer Sekundarschule waren erfolgreich und haben Aufschlüsse gebracht, wie der Comic und die Behandlung in den nächsten Schulklassen zu optimieren sei.

Das Schlusswort hatte Ify Odenigbo und appellierte nochmals an den frühzeitigen Handlungsbedarf, in der Erziehung diese Themen anzusprechen und nicht aufgrund einer Unschuldsvermutung von Kleinkindern das konkrete Thematisieren von Diversität in unserer Gesellschaft auf später zu verschieben.

Rassismus ist eine angelernte Verhaltensweise und Kinder beginnen bereits nach wenigen Monaten u.a. Hautfarben zu erkennen. Die Diversität in ihrem Umfeld, oder eben auch ein Mangel in diesem Aspekt, beeinflussen nachhaltig, wie ein Kind andere Menschen wahrnimmt und entsprechend mit ihnen Beziehungen eingeht.

1 Dieser Anglizismus bedeutet auf Deutsch so viel wie Befangenheit, Neigung, Vorurteil und bezeichnet in der Psychologie und Meinungsforschung eine kognitive Verzerrung der Wahrnehmung. Beim impliziten Bias handelt es sich um eine unbewusste Zuschreibung, wobei hingegen der explizite Bias das Ergebnis bewusster, absichtlicher und kontrollierbarer Gedanken und Überzeugungen ist (Stangl, 2022).

Ify Odenigbo ist im afro-feministischen und queer-feministischen Netzwerk Bla*Sh aktiv und setzt sich mit Ijeoma Parenting zum einen für Empowerment und Healing für Schwarze Menschen und für von Rassismus betroffenen Menschen ein, sowie auch für rassismuskritische Haltungen bei weissen Menschen. Odenigbo ist Ärztin, Aktivistin und zweifache Mutter von weissgelesenen Kindern.