Mir sind 100 Täg online!

Vor genau 100 Tagen schalteten wir unsere Website und somit auch das Magazin «Vo da.» online. Zeitgleich starteten wir die Kommunikation auf unseren Social-Media-Kanälen auf Instagram, Facebook und Twitter, wo wir in der Summe heute bereits über 8’300 Abonnent*innen zählen dürfen.

Grund genug für einen kurzen Rückblick:

Manchmal kommt vieles anders, als man denkt. Zu Beginn dieses Jahres nahmen wir die Planung für unser Kollektiv auf. Wir waren damals noch zu zweit. Dennoch durften wir uns aber sehr glücklich schätzen, viele super Inputs und Feedbacks von Freund*innen und anderen Aktivist*innen erhalten zu haben, was wir direkt in die Gestaltung dieses Projekts miteinfliessen lassen konnten. Die darauffolgende, coronabedingte Lockdown-Zeit nutzten wir u.a. dafür, alle notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.

Der 07. Mai war der Tag unserer Lancierung. Viele der Rückmeldungen in den ersten Tagen waren sehr positiv und ihre Menge erreichte schon nach einer Woche eine Zahl, mit der wir nicht einmal in unseren kühnsten Träumen gerechnet hätten. Gerne möchten wir euch, die Unterstützer*innen der ersten Stunde, deshalb wissen lassen, dass wir euch für diesen frühen und enorm wichtigen Support extrem dankbar sind!

Ab Ende Mai entwickelte sich in den USA und kurz darauf weltweit die grösste Protestbewegung gegen Rassismus in der Geschichte. Tausende Menschen gingen in hunderten Städten rund um den Globus auf die Strassen, um gegen die strukturelle Ungleichbehandlung, Benachteiligung, Ausgrenzung, Stigmatisierung, Abwertung von sowie die verbalen und physischen Angriffe auf Schwarze Menschen und PoC zu demonstrieren. Diese Zeit und die Solidarisierung empfanden wir als emotional sehr bewegend und wir verspürten, dass etwas Grosses im Gange ist.

Das Thema Rassismus prägte in jener Zeit erwartungsgemäss auch die Medienberichterstattungen. Obwohl noch klein und sehr jung, erhielt unser Kollektiv während rund drei Wochen täglich mehrere Medienanfragen. Natürlich waren wir glücklich über das praktisch von 0 auf 100 gestiegene Interesse an unserer Arbeit, den von uns geäusserten Anliegen und den formulierten Forderungen. Jedoch war es auch ernüchternd, wie oft von uns Antworten auf Fragen, wie z.B. «Was ist genau Rassismus?», «Gibt es das hier tatsächlich auch?» oder zu der damals gerade aktuellen Situation der «Black Lives Matter»-Bewegung in Minneapolis und in anderen US-amerikanischen Städten verlangt wurden. Es zeigt auf, wie sehr am Anfang wir in der Rassismusdebatte leider immer noch stehen und veranschaulicht, wie die hiesige Auseinandersetzung das Ausland dazu braucht, damit sie zum einen öffentlich angestossen wird und zum anderen aber auch teilweise bereitwillig beigezogen wird, um die Situation in Europa und in der Schweiz zu relativieren. Appelle von Betroffenen werden dadurch abgeschwächt und ihre legitime Position in der Diskussion wird verwässert. Dabei wird völlig ausser Acht gelassen, dass Diskriminierung kein Wettbewerb ist und entsprechend auch keine Hierarchisierung angewendet werden kann. Die Schweizer Bundesverfassung schreibt klar vor: «Niemand darf diskriminiert werden.» (Art. 8 Abs. 2 BV). Das Diskriminierungsverbot ist zudem ein zentraler Grundsatz der internationalen Menschenrechte. Es findet sich – ausgehend von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 – insbesondere in mehreren auch für die Schweiz verbindlichen UNO-Übereinkommen. (vgl. humanrights.ch)

In unserer Rubrik Fallbesprechung bearbeiteten wir bisher zwei öffentliche Rassismus-Fälle in der Schweiz. Zum einen den zurzeit immer noch von den Zürcher Behörden geduldeten Rassismus im Dörfli. Durch die Beibehaltung der rassistischen Namensgebung und Beschriftungen von drei städtischen Liegenschaften sowie einer kolonial-rassistischen Wandmalerei an einer der Hausfassaden, wird die Abwertung Schwarzer Menschen im Grunde für legitim erklärt. Deshalb richteten wir im Juni ein Bevölkerungsanliegen an die Stadtpräsidentin. Kurz darauf haben es uns rund 100 weitere Privatpersonen – viele davon aus unserer Community – gleichgetan. Auch hierfür möchten wir ein grosses Dankeschön aussprechen! Wir stehen derzeit im Kontakt mit der Stadt, um die weiteren geplanten Schritte von ihnen in Erfahrung zu bringen. Wir werden baldmöglichst berichten!

Ein anderer Fall von Rassismus in der Form von Stereotypisierung und Klischees fand sich im Migros Magazin vom 15. Juni. Ein Special mit dem Titel «From Balkan with Love» beinhaltete zahlreiche rassistisch diskriminierende Artikel gegenüber – im Wortlaut der Migros – «unseren Nachbarn mit Wurzeln im Balkan» oder «den Balkanern». Konsterniert ob der rassistischen Spaltung der hiesigen Gesellschaft durch den grössten Genossenschafts-Bund der Schweiz in «uns» und die «anderen», verfassten wir in der Folge ein Schreiben an die Migros. Dies, nachdem bereits zahlreiche Leute sowie andere Betroffene auf Social Media die Migros darauf hingewiesen haben und eine Stellungnahme gefordert haben, jedoch nur die Social-Media-Managerin Nina mit vereinzelten Kommentaren versuchte die aufgebrachten User*innen zu beschwichtigen. Dabei gab sie aber klar zu verstehen, dass sie eigentlich nicht die richtige Person hierfür sei („Was dazu geführt hat, dass es so raus ging, dazu kann ich dir an dieser Stelle nicht wirklich viel sagen, weil ich zu weit weg bin von diesem Prozess rund um die Erstellung des Magazins.“). Dementsprechend wandten wir uns mit unseren offenen Fragen – u.a. wie es zu der Publikation dieser rassistischen Inhalte kommen konnte und welche Lehren aus dem Fall gezogen wurden – an die Verantwortungsträger*innen der Migros-Gruppe und später auch noch an die Präsidentin des Migros-Genossenschafts-Bunds. Bis heute erhielten wir keine Antwort. Ein weiteres Schreiben an die Pressestelle der Migros ist derzeit noch hängig.

Diese beiden von uns bearbeiteten Fälle sind keine unabhängigen Einzelfälle. Das gesellschaftliche Narrativ der Schweiz, beruhend auf den internalisierten Denkmustern ihrer Bewohner*innen, enthält bestimmte Kategorisierungen von Personen(-gruppen) und Zuschreibungen sowie die Verwendung von Begrifflichkeiten, die dem Konzept des Rassismus entstammen. Mit unseren Online-Artikeln und Projekten möchten wir eine Auseinandersetzung mit dieser komplexen Thematik fördern sowie die Gesellschaft dafür sensibilisieren, als auch zu reflektierterem Denken und Handeln anregen.

Unser im Juli neu dazugestossene Projekt: @chasnuemghoere ist ein Beispiel dafür. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von dem, was Betroffene von Diskriminierung uns Rassismus in der Schweiz immer wieder im Alltag von ihren Mitmenschen zu hören bekommen. Innert kürzester Zeit wurden uns hunderte von Sätzen von betroffenen Menschen zugesandt, die wir allesamt aufgenommen und fortlaufend veröffentlichen werden. Gerne möchten wir uns auch für dieses starke Engagement bei unserer Community bedanken!

Unsere ersten 100 Tage waren intensiv! Die nächsten und übernächsten werden es wohl nicht weniger sein. Doch wir bleiben weiter dran – gemeinsam mit euch!

Wir hoffen auf dich zählen zu können!

Das Kollektiv Vo da.

#mirsindvoda

Du fragst dich, wie du uns bei unserer Arbeit unterstützen kannst?

Zum einen ist es, dass du Diskriminierung und Rassismus nicht tolerierst und dich für die Überwindung dieses menschenverachtenden Konstrukts in deinem Umfeld und der Gesellschaft stark machst.
Zum anderen kannst du mittels einer Spende die Weiterführung unseres Engagements ermöglichen.

Jede Spende kommt direkt und ausschliesslich unserer Arbeit und aller damit verbundenen Aufwendungen für die Umsetzung aller heutigen und in Zukunft geplanten Projekte zugute.