Stimme Vo da. zum Stadtratsbeschluss
Der Zürcher Stadtrat hat entschieden: Bald ist Schluss mit Rassismus im Dörfli! Wir haben diesen Stadtratsbeschluss letzten Donnerstag erfreut vernommen. In unserer Mitteilung vom 08. April 2021 findet sich ein ausführliches Statement unseres Kollektivs. Der noch am selben Tag in der ganzen Schweiz ausgelösten Medienberichterstattung sind unterschiedliche Meinungen zum Entscheid zu entnehmen. Auch diese Debatte, so lange sie ohne rassistische Bezeichnungen und Zuschreibungen auskommt, begrüssen wir sehr. Was bisher leider nur wenig bis kaum Beachtung in der Berichterstattung erfuhr, sind die Stimmen von Schwarzen Menschen – insbesondere jene in der Stadt Zürich – , für die der Stadtratsbeschluss auch damit einher geht, dass sie hoffentlich schon sehr bald im öffentlichen Raum ihrer Stadt nicht mehr durch rassistische Häusernamen, Inschriften und Darstellungen herabgewürdigt und abgewertet werden.
Übers Wochenende sammelten wir 14 Stimmen Schwarzer Menschen vo da, die ihre Eindrücke, Empfindungen und Erwartungen nach dem wichtigen Zürcher Stadtratsbeschluss zum Ausdruck bringen.
Die «Stimme Vo da.» stammen alle aus dem Umfeld unseres Kollektivs und vermitteln diverse Direktbetroffenen-Perspektiven. Wir rufen zudem dazu auf, dass auch grössere und deutlich reichweitenstärkere Medien künftig vermehrt marginalisierte Stimmen zu Wort kommen lassen und dadurch einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit hierzulande leisten.
«Es hat eine gehörige Portion Druck gebraucht. Wir haben unermüdlich verlangt, dass sich die Stadt Zürich ernsthaft, adäquat und präzis den rassistischen Zeichen im öffentlichen Raum annimmt.»
Stimm Vo da. #1
Es hat eine gehörige Portion Druck gebraucht. Wir haben unermüdlich verlangt, dass sich die Stadt Zürich ernsthaft, adäquat und präzis den rassistischen Zeichen im öffentlichen Raum annimmt. Dabei rausgekommen ist das, was so viele von uns schon lange Wissen: Diese rassistischen Häusernamen sowie das rassistische Wandbild gehören nicht zu einer vermeintlichen städtischen Tradition, sondern sind symbolische Zeitzeugen der rassistischen und kolonialen Strukturen der Stadt Zürich, die es zu dekonstruieren, entkolonialisieren und damit zu entfernen gilt.
«Ich hoffe auf jetzt mutige Politiker*innen, damit sich schnell mehr bewegt. Die Kritik an sich war ja nicht neu, seit Jahrzehnten haben immer wieder Menschen anti-rassistisches, dekoloniales Handeln eingefordert.»
Stimm Vo da. #2
Endlich, es ist höchste Zeit und ein richtiger Schritt für die schon lange eingeforderte Auseinandersetzung mit unserer kolonialen Vergangenheit. Da gibt es noch einiges zu tun! Ich hoffe jetzt auf mutige Politiker*innen, damit sich schnell mehr bewegt. Die Kritik an sich war ja nicht neu, seit Jahrzehnten haben immer wieder Menschen anti-rassistisches, dekoloniales Handeln eingefordert.
«Das ist kein Sieg von Einzelnen. Gewonnen hat die ganze Stadtbevölkerung und ein stückweit sogar die gesamte Schweizer Gesellschaft – auch wenn einzelne Exponent*innen sich das nicht eingestehen möchten.»
Stimm Vo da. #3
Nachdem der Entscheid des Stadtrats verkündet wurde, haben mir viele Menschen zum Sieg gratuliert. Doch es ist weder der Sieg von einzelnen Personen noch der des Kollektivs und auch nicht der alleine von Schwarzen Zürcher*innen. Gewonnen hat die ganze Stadtbevölkerung und ein stückweit sogar die gesamte Schweizer Gesellschaft – auch wenn einzelne Exponent*innen sich das nicht eingestehen möchten. Die beschlossenen Massnahmen sind breit gefächert und sehen neben der Entfernung von Objekten mit rassistisch diskriminierender Wirkung, in anderen Fällen eine kritische Aufarbeitung und historische Verortung sowie, wo’s möglich ist, eine Kontextualisierung, d.h. eine zugängliche Wissensvermittlung von (teils neuen) Erkenntnissen vor. Auf dieser Grundlage können wir als Gesellschaft aufbauen. Ausserdem freut es mich, dass jetzt bereits in anderen Städten auch ein Dialog darüber, wie mit rassistischen Namen und Darstellungen im öffentlichen Raum umzugehen ist, angestossen wurden. Schweiz, ich habe Hoffnung für dich!
«Dieser Stadtratsentscheid macht mir Mut und zeigt mir, was möglich ist, wenn eine vertiefte Auseinandersetzung mit Rassismus und der dazugehörigen Geschichte stattfindet.»
Stimm Vo da. #4
Als von Rassismus betroffene Person auf Rassismus und Diskriminierung aufmerksam zu machen ist anstrengend. Es gibt Tage, an denen ich schier daran verzweifle oder mich in meiner eigenen Heimat nicht mehr sicher fühle. Dieser Stadtratsentscheid macht mir Mut und zeigt mir, was möglich ist, wenn eine vertiefte Auseinandersetzung mit Rassismus und der dazugehörigen Geschichte stattfindet. Er motiviert mich, meine Stimme weiterhin zu erheben, um Rassismus zu dekonstruieren. Denn zusammen sind wir stark und werden gehört!
«Mit dem Entscheid des Stadtrats wird sichtbar, was lange unsichtbar blieb. Rassismus hat auch eine Vergangenheit mit fortwährender, realer Wirkung.»
Stimm Vo da. #5
Endlich! Endlich müssen sich Schwarze Menschen die Erniedrigung durch diese rassistischen Namen, Inschriften und Darstellungen in der Stadt Zürich nicht mehr geben! Die Schweiz tat lange so, als gäbe es ihn nicht. Mit dem Entscheid des Stadtrats wird sichtbar, was lange unsichtbar blieb. Rassismus hat auch eine Vergangenheit mit fortwährender, realer Wirkung. Jetzt ist klar: Sichtbar, sichtlich, offensichtlich. Es ist Zeit. Es ist höchste Zeit. Und das ist erst der Anfang!
«Wieso bestand, trotz dem Wissen darüber, dass diese Namen und Bilder eindeutig herabwürdigend und entmenschlichend, so lange kein Handlungsbedarf seitens der Stadtverwaltung?
Stimm Vo da. #6
Der Entscheid des Stadtrates rassistische Bezeichnungen und Darstellungen aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, ist unser Erfolg! Klar, es ist nur ein Schritt von vielen notwendigen Schritten und es gibt noch viel zu tun. Aber an meine Schwarze Community sag ich nun erstmal: Lasst uns feiern und jubeln! Und auch ausruhen. In einer Gesellschaft, wo Schwarz sein Hypervisibilität und Unsichtbarmachung zugleich bedeutet, haben wir unsere Stimmen nicht nur hörbar gemacht, wir haben gefordert, sind standhaft geblieben und haben trotz grossem Widerstand nicht lockergelassen. Von der weissen Gesellschaft der Schweiz fordere ich: Schaut selbstkritisch her und fragt euch wie man im Jahr 2021 noch immer akzeptieren konnte, dass rassistische Namen und Bilder im öffentlichen Raum stehen. Wieso bestand, trotz dem Wissen darüber, dass diese eindeutig herabwürdigend und entmenschlichend sind, so lange kein Handlungsbedarf seitens der Stadtverwaltung? Und fragt euch: Welche Stimmen in diesem ganzen Prozess als Expert*innen anerkannt wurden und welche nicht. Es gibt noch viel zu tun, packen wir es an!
«Wir haben nun eine neue Grundlage, um über Denkmäler, öffentlicher Raum und Kolonialität zu debattieren. Klar ist, wir wollen keine rassistischen Darstellungen mehr. Die Frage ist: Welche Bilder wollen wir?«
Stimm Vo da. #7
«Dass von gewissen Seiten jetzt mit der Angst um den Verlust der Stadtgeschichte argumentiert wird, ist so entlarvend. Denn genau das passiert ja gerade nicht! Wir reden darüber»
Stimm Vo da. #8
Als ich davon hörte, dass bald endlich Schluss sein wird mit dem Rassismus im Dörfli, hatte ich Tränen in den Augen. Es mag für viele vielleicht unverständlich sein, was es für einen bedeuten kann, wenn beschlossen wird, dass ein paar alte Häusernamen und Wandbilder mit einem offensichtlichen Bezug zu Rassismus entfernt werden. Dabei geht es aber natürlich auch nicht um die Häuser und die Wände selbst, sondern um die Bezeichnungen und Darstellungen, die zwar alt, aber leider alles andere als passé sind. Denn wäre dies der Fall, hätte es bei Rassismusbetroffenen nicht eine solche Freude und bei manch anderen eine mittelgrosse Welle der Entrüstung ausgelöst. Letzteres zeigt, wie stark jene um die Wahrung der alleinigen Macht in der allgemeinen Deutungshoheit kämpfen. Dass von gewissen Seiten jetzt mit der Angst um den Verlust der Stadtgeschichte argumentiert wird, ist so entlarvend. Denn genau das passiert ja gerade nicht! Wir reden darüber. Die Verstrickungen der Stadt in Kolonialismus und Versklavung, deren Verbrechen gegen die Menschlichkeit damals durch die Erfindung von Rassismus gerechtfertigt wurden, werden aufgearbeitet und wir können alle dazulernen.
«Dieser Erfolg ist ein wichtiger Schritt in Richtung Dekolonialisierung öffentlicher Räume.»
Stimm Vo da. #9
Dieser Erfolg ist ein wichtiger Schritt in Richtung Dekolonialisierung öffentlicher Räume. Wir haben jetzt wieder mal einen Beweis dafür, wie fundamental die Stimmen von Rassismusbetroffenen und Fachexpert:innen sind, um diskrimierungsfreie Räume zu schaffen. Politisch wie verwaltungstechnisch. Wichtig ist jetzt aber auch, dass wir uns nicht auf diesem Erfolg ausruhen. Stimmen aus der BIPOC-Community und die Stadt Zürich haben ein Zeichen gesetzt; nun gilt es voranzupreschen.
«Die Übertragung von Bezeichnungen und Bildern auf einer Hauswand auf Schwarze Menschen braucht nur Sekunden.»
Stimm Vo da. #10
Das verkürzte Verständnis von Rassismus, dass nur Nazis rassistisch sind, führt dazu, dass gewisse Menschen nicht verstehen, dass abwertende rassistische Begriffe und Darstellungen nicht als solche erkannt werden. Dabei ist es doch offensichtlich, denn die Übertragung von Bezeichnungen und Bildern auf einer Hauswand auf Schwarze Menschen braucht nur Sekunden. Es war höchste Zeit, dass diese abwertenden und rassistischen Namen und Bilder wegkommen!
«An und durch meinen Wohnort nicht mit rassistischen Begriffen oder Abbildungen konfrontiert zu werden, sollte für sich nicht ein ‹Erfolg› sein.»
Stimm Vo da. #11
An und durch meinen Wohnort nicht mit rassistischen Begriffen oder Abbildungen konfrontiert zu werden, sollte für sich nicht ein «Erfolg» sein. Allerdings geschlossen als Bevölkerungsgruppe Gehör zu erhalten, Wandel herbeizuführen und erfolgreich rassistische Strukturen zu Fall zu bringen, gibt mir Mut und Hoffnung für die Zukunft unserer Gesellschaft und die Relevanz meiner Stimme in diesem Land.
«Es ist eine Genugtuung, dass UNSERE Stadt unsere Stimmen gehört hat und endlich Änderungen vornimmt. Die Vergangenheit sollte nicht verleugnet, sondern aufgearbeitet werden!»
Stimm Vo da. #12
«Es finden sich immer mehr und mehr Mitmenschen, die Empathie und Verständnis sowie die Bereitschaft zeigen, zuzuhören, dazuzulernen, sich selbst zu reflektieren und die Gesellschaft dahingehend verändern zu wollen, als dass eine ehrliche Auseinandersetzung mit Rassismus und eine Aufarbeitung der Geschichte möglich ist. Genau das ermöglicht dieser Stadtratsentscheid!»
Stimm Vo da. #13
Als Schwarze Person, die ihr gesamtes Leben in Zürich verbracht hat, musste ich mich jeweils bei einem Spaziergang durch die Stadt – meinem Zuhause – von einigen Hausfassaden herunter rassistisch beleidigen lassen. Das ist inakzeptabel und schmerzvoll. Denn dadurch wurde ich und alle anderen Schwarzen Menschen jedes Mal aufs Neue in einer Form erniedrigt, die wohl nicht nachvollziehbar ist für unsere Mitmenschen, die sie selbst so noch nie erlebt haben. Trotzdem finden sich immer mehr und mehr von ihnen, die Empathie und Verständnis sowie die Bereitschaft zeigen, zuzuhören, dazuzulernen, sich selbst zu reflektieren und die Gesellschaft dahingehend verändern zu wollen, als dass eine ehrliche Auseinandersetzung mit Rassismus und eine Aufarbeitung der Geschichte möglich ist. Genau das ermöglicht dieser Stadtratsentscheid! Und natürlich ist es damit noch nicht vorbei! Denn das Ganze ist ein Prozess und unsere Gesellschaft steht noch ziemlich nahe am Anfang. Doch durch die Mitwirkung vieler bewegen wir uns vorwärts und das fühlt sich gut an.
«Was braucht es noch, damit alle rassistischen Wörter auch aus den Schulen, den Restaurants, den Spitälern, den Läden und aus unserem Alltag ein für alle Mal verschwinden?!»
Stimm Vo da. #14
Die Migros hat letzten Sommer das Produkt mit dem aufgedruckten rassistischen Namen aus ihren Regalen verbannt. Der Zürcher Stadtrat verkündete letzte Woche, dass koloniale und rassistische Zeichen im Stadtraum entfernt oder kontextualisiert werden. Was braucht es noch, damit alle rassistischen Wörter auch aus den Schulen, den Restaurants, den Spitälern, den Läden und aus unserem Alltag ein für alle Mal verschwinden?!