Von rassistischen Ausreden und Rechtfertigungen

Triggerwarnung (Was ist das?)

An der diesjährigen Fasnacht im sankt-gallischen Wangs sorgte die Gestaltung eines Umzugswagens dafür, dass sich ein Foto von diesem weit über die Dorf- und Kantonsgrenzen verbreitete. Die Bekanntheit erlangte der Wagen eines ehemaligen SVP-Mitglieds aber nicht etwa wegen sehr viel Liebe zum Detail. Es wurden nämlich einzig ziemlich plump Plakate von Kandidierenden der FDP für die Kantonsratswahlen angebracht und darunter der Spruch «Wie viele ‘N.’ brauchen wir in St. Gallen?» (wobei das N-Wort ausgeschrieben wurde – siehe Foto oben). Das ist nicht nur nicht wirklich kreativ, sondern klar rassistisch. Die Tatsache, dass das Portrait des einzigen dunkelhäutigen abgebildeten Kandidaten doppelt und zusätzlich auch gross angebracht wurde, unterstreicht die rassistische Absicht nochmals. Dass es sich hierbei um Rassismus handelte, wurde erkannt und der Täter wurde zur Rede gestellt.

Wie in vielen Fällen, mangelt es diesem aber keineswegs an Ausreden für seine rassistische Tat, die er jedoch niemals so selber bezeichnen würde. So legt er sich seine Argumente so zurecht, dass er frei von jeglicher Schuld «ein Rassist zu sein» und ungeschoren davonkommt.

«Das Wort ‹N.› ist ein Synonym für den Kantonsrat, der Mist baut, also in meinen Augen Dinge beschliesst, die mir nicht gefallen.»

«Für mich ist ‹N.› kein Schimpfwort. Das ist so was wie ‹Tubel›, das man mal so dahersagt.»

«Auch Weisse können ‹N.› sein. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass jetzt ein Dunkelhäutiger kommt und sich angesprochen fühlt.»

«Die Botschaft ist ganz falsch rübergekommen.» (Deshalb habe er das Wort dann ja auch abgeklebt. Dass er vielmehr vor die Wahl «Abkleben» oder «Nicht-Mitfahren» gestellt wurde, lässt er einfach unbeirrt aus.)

Natürlich erhofft sich der Täter, wie erwähnt, mit diesen Rechtfertigungen sich davon zu befreien, ein Rassist zu sein und als solchen auch wahrgenommen zu werden. Doch er tut damit vor allem eines: Zeigen, dass er ein Rassist ist.

Die Verwendung des N-Worts in der deutschen Sprache, insbesondere in Redewendungen, verdeutlicht zweifelsfrei stets eine abwertende Konnotation und suggeriert, dass N. einen niedrigeren Status haben. Die Sprüche ergeben semantisch nur einen Sinn, weil Respekterweisung und Respektentzug an eine weisse rassistische Perspektive gekoppelt sind. («Dann stehst du da wie der letzte N.» / «Ich bin doch nicht dein N.»)

Auch der Täter im Fall Wangs behauptet das Wort sei für ihn nur ein Synonym / eine Metapher und zählt zugleich die Beispiele «Tubel» und «jemand, der in meinen Augen Mist gebaut hat» auf. Der Gebrauch des N-Worts ist aber immer diskriminierend und, aufgrund der jahrhundertelangen rassistischen Aufladung, wobei dunklere Hautfarbe das ausschlaggebende Merkmal für die Zuweisung zur konstruierten «Gruppe der N.» und entsprechend die angebliche Bestätigung von Minderwertigkeit war, schlicht und einfach rassistisch.

Übrigens lassen uns die Anmerkung von prominenteren SVP-Mitgliedern zu dieser Angelegenheit, wissen, dass sie auch ein klar rassifiziertes Verständnis der Schweizer Gesellschaft haben. Der dunkelhäutige FDP-Kandidat sei ein Musterbeispiel für perfekte Integration, ist in einer Online-Zeitung zu lesen. Diese Aussage ist unangebracht und bestätigt die Ungleichbehandlung bzw. die erwartete Bringschuld eines Mitbürgers mit dunklerer Haut. Weiter beinhaltet sie dieselbe Suggestion, wie die Frage «Nei, ich meine, vo wo chunsch du würkli?». Nämlich, dass die entsprechende Person nicht von hier – also vo da – ist und/oder eigentlich nicht hierhin gehört. Der Kandidierende ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen, entsprechend paradox ist es, seine angebliche Integration überhaupt hervorzuheben.

Quellen: 20min.ch, nau.ch, Wie Rassismus aus Wörtern spricht

Update: Am 07. Juli 2020 berichteten Medien, dass der Urheber der rassistischen Aktion zu einer Busse von 3’100 Franken sowie einer bedingten Geldstrafe von 21’000 Franken (mit 2 Jahren Probezeit) verurteilt wurde.

Quelle: Tagblatt
(Das N-Wort wird in dem Artikel leider zahlreich gebraucht.)

Dembah Fofanah (28) lebt und arbeitet als Projektleiter in Zürich. Er ist Gründer des Kollektiv Vo da. und koordiniert die verschiedenen Initiativen für die Benennung von Diskriminierung und Rassismus in der Schweiz.