Ein Kommentar zu Racial Profiling in der Schweiz

Es ist ein Thema, welches in der Schweiz oft als «für uns nicht relevant» abgetan wird. Doch in diesem Artikel möchten wir aufdecken, wie präsent dieses Thema wirklich ist und wieso es uns alle betrifft.

Als Erstes sollten wir mal über die Definition von Racial Profiling sprechen. Der Begriff bezeichnet alle Polizeimassnahmen, die dazu führen, dass Personengruppen willkürlich oder unverhältnismässig behandelt werden, da sie ethnisch-kulturell, religiös oder aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe im Konzept des Rassismus als «fremd» wahrgenommen werden oder als nicht gleichberechtigt gelten.

Häufig wird man in der Schweiz mit diesem Thema vielerorts nicht ernst genommen. Es wird kleingeredet, denn in unserem Land gäbe es so etwas nicht oder falls doch, nicht im vergleichbar gravierenden Ausmass, wie in den USA zum Beispiel. Unglücklicherweise eskalieren, insbesondere im Zusammenhang mit fataler Polizeigewalt, die Fälle des Racial Profilings in den USA schneller und häufiger, aber auch in der Schweiz ist der strukturelle Rassismus gang und gäbe. Wie Doudou Diène, Politologe und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, einst sagte: «Rassismus gedeiht da, wo er geleugnet wird». Deshalb gilt es auch hier genau hinzuschauen und Zustände zu reflektieren.

Die hiesige Gesellschaft und auch die schweizerischen Institutionen sehen das Ganze als ein Randphänomen. Direktbetroffene werden oft nicht ernst genommen. Dass viele Personen, welche institutionellen Rassismus erfahren, wenig bis gar kein Vertrauen in Polizei und Justiz haben, ist die Konsequenz daraus, dass solche Probleme kein Gehör finden.

Selbst eine Expertengruppe der UNO für Menschen afrikanischer Herkunft (WGEPAD), welche von der EDA eingeladen wurde, gibt der Schweiz in ihrem Bericht eine schlechte Note. Sie kommen zum Schluss, dass bei der Polizei und Justiz rassistisches Verhalten gegenüber Menschen mit afrikanischer Herkunft weit verbreitet ist.

Allgemein gibt es in der Schweiz kaum Studien oder Angaben dazu. Die öffentliche Debatte und Rassismusforschung ist beispielsweise bei unseren Nachbarländern viel weiter fortgeschritten. In Deutschland ist zum Beispiel eine Gesetzesreform geplant, welche die Möglichkeit auf eine Kontrollquittung vorschlägt auf welcher u.a. der Grund der Kontrolle ersichtlich sein muss. Leider wird das Thema hier jedoch häufig banalisiert und auch bei unserer Recherche stossen wir immer wieder darauf, dass von offiziellen Stellen keine wirklich aussagekräftigen Statements kommen. Vor allem wenn es um Taten geht, wie der Mord an Mike Ben Peter in Lausanne oder das Erschiessen von Roger Nzoy in Morges werden sie zu oft als vermeintliche «Ausnahmefälle» deklariert und schnell als erledigt abgetan.

Auf der Homepage der Allianz gegen Racial Profiling kann man nachlesen, wie man sich verhalten sollte, wenn man selbst betroffen ist, aber auch, wie man handeln sollte, wenn man Zeug:in eines solchen Vergehens wird. Eine solche Aufklärung ist unserer Meinung nach ein Muss. Gerade weil solche Vorfälle oft nicht ausreichend ernst genommen werden, ist es wichtig, zu wissen wie man sich innerhalb seiner Rechte am besten zu verhalten hat.

Es fehlt in der Schweiz leider bisher noch an tatsächlich greifenden Antidiskriminierungsgesetzen, weshalb es ein steiniger Weg bis zu nachhaltiger Veränderung ist. Damit sich die Umstände ändern können, müssen noch viele Schritte getan werden. Einerseits muss, wie gesagt, die Gesellschaft sensibilisiert werden. Andererseits müssen die Institutionen ebenfalls einsehen, dass Handlungsbedarf besteht und Massnahmen ergreifen. Strengere Hintergrundprüfung von Polizeipersonal mit konsequenteren Auswahl- bzw. Aussortierungskriterien könnten Skandale (oder hoffentlich gar die Taten selbst) verhindern, in denen erst die Medien aufdecken müssen, dass gewisse Polizist:innen mit rechtsextremen und rassistischen Gruppierungen in Verbindung stehen.

Solche und ähnliche Forderung stehen schon lange Zeit im Raum. Doch bis ein struktureller Wandel erreicht wird, der das Grundrecht auf Diskriminierungsschutz für alle auch in der Institution «Polizei» vollumfänglich sicherstellen wird, scheint es noch zu dauern. Bis heute gibt es in der Schweiz keine unabhängige Ombudsstelle, welche Fälle von Polizeigewalt auf ihre Übereinstimmung mit den Grund- und Menschenrechten überprüft, wie humanrights.ch festhält. Und bis dahin werden wir weiterhin einstehen für Gleichbehandlung und Gerechtigkeit! #mirsindvoda

Mehr zur Allianz gegen Racial Profiling:

Die Allianz gegen Racial Profiling ist eine schweizweite Bewegung, die den institutionellen Rassismus in den Polizeikorps und im Grenzwachtkorps sowie seine strukturellen Ursachen in der Gesellschaft bekämpft.
Im Zuge strategischer Rechtsverfahren entwickeln sie gesamtschweizerische Aktivitäten und unterstützen lokale antirassistische Initiativen. Dies tun sie in der Absicht, die breite Öffentlichkeit, Politik und Zivilgesellschaft zu motivieren, sich mit Racial Profiling zu befassen und für rassismuskritisches Denken und Handeln zu engagieren.

www.stop-racial-profiling.ch